In bester Gesellschaft

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Jede/r von uns hat einen Ort, an dem er/sie für gewöhnlich morgens aufwacht, sich nach Schule/Studium/Arbeit zurückzieht, Kraft tankt, sich schnell was aus dem Kühlschrank greift, an dem sich all seine/ihre Kleidung befindet… Dieser Ort heißt „Zuhause“. 
DURCH CHRISTINS BRILLE betrachtet ist das aktuell so eine Sache mit dem Zurückziehen und Krafttanken. 
Mein Zuhause teile ich mit drei anderen Menschen. Einer dieser Menschen befindet sich im ständigen Kampf. Ein weiterer reicht mir größentechnisch bis zum Oberschenkel und hinterlässt meist gut gelaunt eine Spur der Verwüstung. Ein dritter ist ganz umgänglich, aber fast nie zu Hause. 
Neulich tauschte ich mich mit meinem Freund Julian über das Thema der abnormalen Überbelastung in dieser Lebensphase aus. Und dieses Gespräch tat so gut. Julian ist in einer ähnlichen Lebenssituation wie ich. Familie, zwei arbeitende Elternteile. Glücklich, aber ausgepowert.
Julian ist ausgebildeter Coach und stellt die richtigen Fragen. Das weiß auch sein Umfeld. So stand eines Tages ein gestandener Mann in Managerposition, der beruflich alles im Griff hat, zerzaust und verzweifelt vor ihm. "Julian. Diese Morgensituationen. Ich halt's nicht mehr aus. Kannst du mich bitte coachen?"
Jeden Tag komme ich an einen Punkt, an dem ich mich so schrecklich unzulänglich fühle. 
Oft denke ich, souveräne, erfolgreiche Menschen in Führungspositionen stehen beruflich genau dort, wo sie sind, weil sie über alle Herausforderungen ihrer Lebensbereiche erhaben sind. Weil sie gelassen sind und einen kühlen Kopf bewahren. Und dass genau das der Grund ist, warum ich stehe, wo ich stehe und die anderen aus den genannten Gründen über mir schweben.
Julian hat zumindest die Annahme "Die haben in jedem Belang ein geileres Leben als ich" zerpflückt.
Mit Logik, Planung, Vorbereitung oder Struktur haben Zeiträume von Weckerklingeln bis Kita-/Schulweg NICHTS zu tun. Ich kann schlichtweg nichts dagegen tun, dass es an einigen Tagen in der Woche morgens bei uns kracht. Da bin nämlich nicht nur ich, die sagt, wer wann wo zu sein hat. Sondern da ist mindestens noch eine andere Person, die aktiv gegen mich arbeitet, manchmal sogar zwei. 
Zoome ich mal aus der Situation heraus und betrachte das große Ganze, sehe ich es deutlich. Welche Entscheidungen treffen Kinder im Alltag wirklich?
Aufstehen? Nein. 
Anziehen? Nein. 
Zähneputzen? Nein. 
Schuhe anziehen? Nein. 
Zur Kita/Schule aufbrechen? Nein.
Das geben alles wir Erwachsenen vor. Die Kinder müssen mitmachen. Und das tun sie auch. Oft unter Protest. Aber am Ende sie tun es doch so ziemlich immer. 
Was für ein frustrierend fremdbestimmtes Leben!
Da leuchtet es mir absolut ein:Die Verweigerung in dem Moment, in dem sie uns die stärksten Schmerzen zufügt, ist der einzige Hebel, den die Kinder betätigen können. „Kinder kommt, Schuhe an! Ich darf heute nicht zu spät zur Arbeit kommen!“ - „Aha! Das wollen wir doch mal sehen…“ *händereib*
Und umso klarer wird die Verzweiflung des Managers. Er ist daran gewöhnt, dass er für seinen Fleiß, die harte Arbeit, den Verzicht, seine Disziplin usw. belohnt wird. Mit Geld, Anerkennung, einem Firmenwagen, noch mehr Macht… Offen gesprochen: Kinder pfeifen auf die ehrbaren Tugenden des Vaters. Und dann sieht er seine Kinder vermutlich größtenteils nur morgens, wo sie so krawallig sind. Wie bitter für diesen Mann! 
Aber was mache ich nun mit der Erkenntnis, dass ich als Mutter sehr gut daran gewöhnt bin, mehr als 100% zu geben und weder Geld, noch Dank, noch Anerkennung oder gar Lob dafür zu bekommen? Vielleicht diesen Satz formulieren: 
Es wird mit der Zeit nicht weniger anstrengend, aber es tut weniger weh. 
Und, hey Welt! Wer um -5 Minuten zum Schulaufbruch cool bleibt, weil das Kind "keinen Bock" hat, sich eine Schleife am Schuh zu binden, wird von mir als Zen-Master verehrt.

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